Schüler lernen besser, wenn sie sich regelmäßig bewegen. Sie fühlen sich wohler und können sich besser konzentrieren. Generell gilt für alle Menschen, dass sie gesünder sind, wenn sie sich mindestens eine Stunde pro Tag bewegen. Das geht aus einer Studie der Weltgesundheitsbehörde (WHO) hervor, auf die sich Hermann Städtler, Leiter des Projekts „Bewegte, gesunde Schule“ des Niedersächsischen Kultusministeriums, kürzlich bei einem Aktionstag am Gymnasium an der Willmsstraße bezog. Und er hatte noch weitere Zahlen parat: So sollten Probanden in einem Test Fantasievokabeln lernen. Eine Gruppe in Verbindung mit Bewegungen und eine ohne. Nach drei Monaten erinnerte sich die Bewegungsgruppe im Schnitt an 17, die andere an dreieinhalb Vokabeln. „Durch die Bewegungsübungen steigen das Arbeitsgedächtnis, die Aufmerksamkeit und das Wohlbefinden“, erklärte Städtler. Zusammen mit Uwe Winkler und Physiotherapeutin Sabine Tiedt veranstaltete er an der Delmenhorster Schule einen Aktionstag. Zunächst mit Schülern und einigen Lehrern, dann gezielt mit mehreren Lehrern und abschließend noch mit 75 Eltern.
Kern des Projekts ist es, dass die Schüler zwei Bewegungsimpulse pro Schulstunde bekommen, die jeweils zwei bis drei Minuten dauern. Zu Übungszwecken versuchte sich an diesem Aktionstag eine neunte Klasse des Willms an den Übungen. Der Kontakt ging von der Schule aus, das sich an das Projektteam gewendet hatte. „Das Ziel ist es, möglichst viel Bewegung in die Schule zu bringen“, sagte Schulleiter Stefan Nolting. Den rund 1300 Schülern des Gymnasiums werde viel abverlangt, die Verbindung von Bewegung und Leistung werde oft nicht wertgeschätzt. Am Willms läuft derzeit ein Projekt, das „Bewegte Kinder – Schlaue Köpfe“ heißt. „Es ist tatsächlich selten, dass Gymnasien auf uns zu kommen“, berichtete Städtler. Das Willms sei damit ein Vorreiter in der Region.
Die einzelnen Bewegungsimpulse, die das Projektteam vorstellte, konnten jeweils in ihrer Komplexität variiert werden. Bei einer Übung mussten die Schüler zunächst zwei Bälle etwa 40 Zentimeter gerade hochwerfen und wieder auffangen – einen mit der linken und einen mit der rechten Hand. Im zweiten Schritt wurden die Bälle gerade hochgeworfen, die Arme überkreuzten sich jedoch beim Fangen, sprich: Die rechte Hand fing den von der linken Hand nach oben geworfenen Ball auf. Als weitere Schwierigkeit kam ein in die Hocke gehen dazu. Die Übung kann auch mit zwei oder auch mehr Personen ausgeführt werden, die sich die Bälle gegenseitig zuwerfen. Bei einer anderen Übung, dem Dreier- oder Fünferzählen, standen sich zwei Schüler gegenüber und zählten abwechselnd hoch. Nach und nach wurden die Zahlen durch Aktionen ersetzt, beispielsweise Klatschen statt zwei und 360-Grad-Sprung statt vier.
Die Schüler und auch Lehrer hatten an diesem Aktionstag sichtlich Spaß, die Stimmung war gut. „Kinder und Jugendliche gehen ja nicht automatisch gerne zur Schule, aber Bewegung bringt Freude und die steigert das Wohlbefinden“, erklärte Städtler. Lernforscher sagen, fügte der Projektleiter hinzu, dass Wohlbefinden gutes Lernen befördert. „Gerade in Ganztagsschulen hat die Einrichtung die Verantwortung, dass sich die Schüler genügend bewegen, also mindestens eine Stunde pro Tag“, sagte Städtler.
Balance- und Koordinationsübungen sorgen dabei für die Impulse. Das Projektteam erklärte den Lehrern zudem, wie sie diese Übungen mit schulischem Lernen verbinden können. Das sieht beispielsweise folgendermaßen aus: Die Schüler joggen auf der Stelle und bekommen einen Satz in einer Fremdsprache vorgelesen. Immer, wenn ein Wort großgeschrieben wird, müssen sie sich drehen, ähnlich funktioniert es mit Matheaufgaben. Auch Entspannungsaufgaben gehören zum Portfolio des Projektteams. So schreibt ein Schüler einem anderen das Ergebnis einer Matheaufgabe mit dem Finger auf den Rücken und dieser muss erfühlen, um welche Zahl es sich handelt.
Auffällig war der Eifer der Willms-Schüler. „Das Schöne an Bewegung ist auch, dass man immer anfängt, miteinander zu sprechen“, erzählte Tiedt. Sie führte die meisten Übungen vor, beispielsweise wie man Dinge wie Kisten richtig hebt oder wie man sich mit Hilfe des Türrahmens streckt und dehnt. Es geht bei dem Projekt nämlich nicht nur um Bewegung, sondern auch die damit verbundene Gesundheit. Gerade wer viel sitze, der Schulbesuch komme hier einem Bürojob nahe, bekomme schnell Rückenprobleme, erklärte Städtler. „Die Schüler sollen lernen, zwischendurch solche Übungen zu machen. Das gilt auch für alle anderen Menschen. Mit nur wenig Zeitaufwand kann so für viel Entlastung gesorgt werden. Das ist auch auf die Freizeit übertragbar“, erklärte Städtler. Untersuchungen haben ergeben, berichtete er, dass nur 24 Prozent aller Heranwachsenden sich ausreichend bewegen.
Laut eines Tests der Medizinischen Hochschule in Hannover haben schon Zehnjährige überalterte Zellen, wenn sie sich nicht genügend bewegen. Bei Menschen über 50 Jahre gingen die Krankmeldungen um 40 Prozent zurück, nachdem diese täglich eine Stunde mit einem E-Bike gefahren waren, berichtete Städtler. Kurzum: Bewegung ist gesund und führt zu Wohlbefinden. Schüler profitieren davon, indem sie besser lernen. Weitere Infos gibt es unter www.bewegteschule.de.