Am 20. September 2022 hatte der zehnte Jahrgang des Willmsgymnasiums die Möglichkeit eine sehr bewegende Lebensgeschichte zu hören. Der Holocaust-Überlebende Ivar Buterfas-Frankenthal berichtete gemeinsam mit seiner Frau Dagmar von seiner Vergangenheit als „Halbjude“ im Nationalsozialismus. Die Schüler*innen konnten aus erster Hand erfahren, was es bedeutet, wenn die Demokratie versagt und man als Mensch seine Rechte verliert.
Buterfas-Frankenthal wurde am 16. Januar 1933 geboren. Kurz darauf übernahm Adolf Hitler das Amt des Reichkanzlers und Deutschland wurde zu einer Diktatur. Menschen jüdischen Glaubens und jüdischer Abstammung wurden Schritt für Schritt entrechtet, verfolgt, gedemütigt und ermordet. Der Vater Buterfas-Frankenthals, ein Jude, wurde 1934 als „Moorsoldat“ ins Konzentrationslager in Esterwegen gebracht. Seine Mutter war Christin und es gelang ihr, ihre acht Kinder vor der Deportation zu bewahren.
“Du verschwindest sofort von unserem Schulhof und wirst nicht mehr unsere Luft verpesten!“ Mit diesen Worten verjagte der Schulleiter den jungen Buterfas-Frankenthal sechs Wochen nach dessen Einschulung – weil er „Halbjude“ war. Nachdem er vom Schulhof gerannt war, fing ihn eine Gruppe älterer Schüler*innen ein. Sie hielten ihn fest und brannten ihm ein Loch in sein Bein: „Sie haben mich auf ein Eisengitter gedrückt und unter mir liegenden Papiermüll angezündet.” Dabei riefen die Jugendlichen, dass sie die „Judensau rösten“ würden.
Gebannt und fassungslos hörten die Schüler*innen des zehnten Jahrgangs zu. Stille herrschte in der Aula, man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Seine Erinnerungen bereiteten ihm ausnahmslos jede Nacht Albträume, so Ivar Buterfas-Frankenthal. Um diese Erlebnisse zu verarbeiten und Frieden zu finden, sind der heute 89-Jährige und seine Frau seit fast 30 Jahren und mit weit über 1500 Veranstaltungen an Schulen und Universitäten unterwegs.
Ivar Buterfas-Frankenthal wurde für diese Erinnerungsarbeit mit zahlreichen Preisen, unter anderem dem Weltfriedenspreis und dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, ausgezeichnet.
Der Zeitzeuge appellierte angesichts des verstärkt aufkeimenden Antisemitismus und Rassismus an die Schüler*innen und bat sie, alles dafür zu tun, dass sich die Geschichte nicht wiederhole. Die anwesenden Jugendlichen versprachen dies einstimmig. Zum Abschied und als Erinnerung erhielten die Zehntklässler*innen ein Duplikat des sogenannten „Fremdenpasses“, den Buterfas-Frankenthal nach dem Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft durch die Nationalsozialisten bekam: „Das war nach dem Judenstern die zweite Diskriminierung, die ich erfahren habe.“ Bis 1964 sollte es dauern, bis er und seine Frau die deutsche Staatsbürgerschaft wieder erlangten.
„Das war die beste Schulveranstaltung, auf der ich je war!“ sagte Mia aus der 10a. Die Schüler*innen waren sichtlich bewegt und beeindruckt von dem Zeitzeugen. Sie durften im Anschluss an den Vortrag Fragen stellen, wovon sie auch zahlreich Gebrauch machten. Sie begleiteten ihn und seine Frau bis zu ihrem Auto, um noch möglichst viele Fragen zu stellen und das Ehepaar zu verabschieden.
Wir bedanken uns herzlichst bei Dagmar und Ivar Buterfas-Frankenthal für ihren Besuch am Gymnasium an der Willmsstraße in Delmenhorst.
Jelena Jovicic, Fachobfrau Geschichte