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Wie die Welt in zehn Jahren aussieht

19.01.24 | Weser Kurier

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250 Schüler aus 60 Schulen haben am Donnerstag im Willms-Gymnasium in Delmenhorst die Zukunft thematisiert. Es war die bundesweit erste Konferenz dieser Art. Warum es nicht um Jobs oder Studienplätze ging.

“Jugendliche haben keinen Bock” – diesen Satz hat Ali Mahlodji schon oft von Erwachsen gehört. Teilen kann der EU-Jugendbotschafter diese Auffassung nicht. Ganz im Gegenteil. In seinem Leben, in dem der 42-Jährige unter anderem als Lehrer, aber auch als Berater schon mit zahllosen Jugendlichen zu tun hatte, sei ihm kein einziger untergekommen, der keinen Bock gehabt hätte. “Es gibt nur junge Menschen, die das Gefühl haben, dass sie kaputt sind und repariert werden müssen”, sagte Mahlodji am Donnerstagvormittag auf der Bühne in der Aula des Willms-Gymnasiums in Delmenhorst. Er war von Wien in die Stadt an der Delme gekommen, um die Eröffnungsrede der bundesweit ersten Zukunftskonferenz für Schüler namens “futur eins” zu halten. Seine Botschaft an die 250 Schüler aus 60 Schulen aus Niedersachsen, Bremen und Hamburg, die an der Konferenz teilnahmen, lautete: “Niemand von euch muss repariert werden. Wenn ihr das Gefühl habt, dann ist das nicht eure Schuld.” Jeder Einzelne sei wertvoll. Auch jemand, der vermeintlich keine Chance hat, könne daraus eine Erfolgsgeschichte machen. Das habe Ali Mahlodji – Flüchtlingskind, Schulabbrecher und 40 Jobs – bewiesen. Er wurde Gründer, Unternehmer, Autor und Berater.

“Erwachsen zu sein, ist keine Kunst”, führte der EU-Jugendbotschafter weiter aus. Er, der selbst Lehrer war, habe von seinen Schülern mehr gelernt, als sie von ihm. Diese Aussage kann auch Stephan Nolting – zumindest in Teilen – bestätigen. “Zuhören ist die erste Aufgabe von Pädagogen”, ist der Schulleiter des Willms überzeugt. Dass das nicht nur leere Worte sind, hat er mit der Zukunftskonferenz, die das Delmenhorster Gymnasium initiiert hat, unter Beweis gestellt. Denn eine Schüleräußerung hatte alles in Gang gesetzt. Nolting erinnert sich noch genau an die Unterrichtsstunde mit seinem Leistungskurs Politik vor etwa anderthalb Jahren. Es sei um “Partizipation” gegangen. Ein Schüler kritisierte die Theoretisierung und fragte, mit vielen Krisen es seine Generation derzeit zu tun habe und wie viele Lösungsansätze die Politik dazu gebe. Der Schulleiter erkannte in diesem Moment: “Uns geht eine Generation an Demokraten flöten.” Die Jugend brauche ein Sprachrohr, das über die sozialen Medien hinausgehe. Nolting wurde klar: “Es braucht eine Zukunftskonferenz.” Gut 18 Monate später war es soweit.

Mut für Veränderung

Stände von Unternehmen, die über ihre Ausbildungsangebote informierten, oder Studienberater, die über die zahlreichen Möglichkeiten an Universitäten und Hochschulen Auskunft gaben, suchte man an diesem Tag im Willms vergeblich. Darum ging es bei der Konferenz auch nicht. Im Fokus stand nichts weniger als die Zukunft der Schüler. “Die Haltung zur Demokratie soll gestärkt werden”, sagt Nolting. Diese Stärkung könne nicht von oben herab erfolgen. “Das muss bottom-up passieren. Das ist eine Wurzelbewegung”, betont der Schulleiter. Das letztendliche Ziel der ganztägigen Konferenz sei, den Schülern Zuversicht in die eigene und gemeinschaftliche Zukunft zu vermitteln und zugleich Mut für Veränderungen zu initiieren.

Um diese Zielsetzung zu erreichen, gab es auf der Konferenz eine Kombination aus Keynotes, Workshops und Zeit für einen offenen Austausch und eine zukunftsorientierte Vernetzung. Allein stand das Willms bei der Organisation nicht. Unterstützung bekam das Delmenhorster Gymnasium einerseits von dem Wirtschaftsmagazin “brand eins” und andererseits von der Beratungsfirma Fluss. Sie waren es auch, die durch den Tag führten. “Wir wollen euch Inspiration liefern. Ihr sollt Mut fassen, Dinge zu tun, auch wenn ihr nicht wisst, ob es gelingt”, so Ole Keding, Team-Coach bei Fluss. Seine Co-Moderation Margitta Schulze Lohoff, Redakteurin bei brand eins, forderte die Schüler auf, die angeschobenen Denkanstöße darüber, wie sie die Zukunft haben wollen, mitzunehmen und als “Botschafter” aufzutreten. Die beiden bemühten das Bild des olympischen Feuers, das die Konferenz entfachen und von den Teilnehmern weitertragen werden solle. “Ihr seid die Zukunft”, gab auch Mahlodji den Schülern mit auf den Weg. Wie die Welt in zehn Jahren aussieht, liege in ihrer Hand.

Willms rennt offene Türen ein

Für den Willms-Schulleiter ist die Zukunftskonferenz laut eigenem Bekunden “eine Herzensangelegenheit”. Oft sei er gefragt worden, wie eine Schule so etwas stemmen könne. Immerhin 60.000 Euro seien für die Veranstaltung erforderlich gewesen. Sein großer Dank geht deshalb an den Förderverein des Gymnasiums, der das Projekt tatkräftig unterstützt hat. Ihm sei es gelungen, innerhalb von drei, vier Wochen das nötige Geld zusammenzubekommen. “Dass das so schnell gelingt, hätte ich nicht gedacht, gerade nach Corona”, räumte Nolting ein. Doch offenbar habe die Delmenhorster Schule mit ihrer Idee offene Türen eingerannt.

“Man scheint nur darauf gewartet zu haben”, sagt der Schulleiter. So sei nicht nur das Magazin “brand eins” sofort begeistert gewesen, sondern auch zahlreiche Sponsoren. Insgesamt zwölf Unterstützer, allesamt namhaft, fördern die Konferenz: angefangen bei Airbus, Cewe und Westermann bis hin zur Körber-Stiftung, Barthel-Stiftung sowie den Stiftungen von Siemens, EWE und Vodafone. Auch die Krankenkasse DAK sowie verschiedene Verbände sponsern die Konferenz – von Banken, der Automobil- sowie der Luft- und Raumfahrtindustrie. “Sie machen das nicht etwa, um sich selbst zu präsentieren. Sie wollen wissen, was die Jugend bewegt”, erklärt Nolting. Und das lohne sich. “Unsere Jugend hat viele gute Ideen”, fügt er hinzu. Auch als Schulleiter könne man immer etwas dazu lernen. Den Schülern zuzuhören, lohne sich. Denn wer wisse, welcher Stein dadurch sonst noch ins Rollen gebracht werde.

Zur Sache

Konferenz soll Horizont erweitern

Die “futur eins – Zukunftskonferenz für Schüler” ist keine gymnasiale Veranstaltung. Neben 25 Gymnasiasten des Willms waren Schüler der unterschiedlichsten Schulformen im Alter zwischen 15 und 20 Jahren bei der Veranstaltung dabei: Hauptschulen, Realschulen, Oberschulen, Gesamtschulen und Berufsbildenden Schulen. “Sonst ist man viel unter sich”, sagt Stephan Nolting, Schulleiter des Willms-Gymnasiums in Delmenhorst. Die Zukunftskonferenz sollte dies bewusst aufbrechen. “Wir wollen eine Horizonterweiterung ankurbeln.”

Die Themenfelder, aus dem die Schüler an diesem Tag auswählen konnten, war breit gefächert. Aus insgesamt 29 Sessions konnten sie jeweils drei auswählen. Die Anmeldung erfolgte vor Ort über eine App, die einer der Willms-Lehrer extra aufgesetzt hatte. Angeboten wurden unter anderem Workshops über “Hack your school – ein Sprint!”, “Lifehacks! Wie ich meine Zukunft selber mache”, “KI für eine bessere Welt: nachhaltige Unternehmensideen”, “Der Pitch – die Idee muss unter die Leute!” oder “Ada und der verlorene Kryptoschatz – ein Escape Game aus der Welt der Informatik”.

“In vielen Dimensionen haben wir mit der Zukunftskonferenz Neuland betreten”, merkt Nolting an. Der Delmenhorster Schulleiter ist jedoch überzeugt, dass dies auch andernorts funktionieren würde. Im Anschluss an die Pilotkonferenz werden sich deshalb alle Förderer und Organisatoren des Events zusammensetzen, um gemeinsam über mögliche Folgeveranstaltungen im Bundesgebiet nachzudenken.