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Historische Postkarten mit Judenhetze im Willms zu sehen

18.10.21 | NOZ / Delmenhorster Kreisblatt

Vorherige Pressebeiträge

Die Ausstellung “Abgestempelt – Judenfeindliche Postkarten” zeigt bis zum 7. Dezember in der Außenstelle des Willms-Gymnasiums historische Postkarten mit antisemitischen Motiven und ihre Wirkweise bis in die heutige Zeit hinein.

Was hat der mit übergroßer Hakennase diffamierte Jude im Dritten Reich mit Facebook, WhatsApp und Co. zu tun? Mehr, als man im ersten Moment annehmen würde. „Auch heute noch werden die gleichen Stereotype verwendet wie schon zur Kaiserzeit“, erklärte Wiebke Hölzel von der Technischen Universität Berlin Freitagvormittag im Willms-Gymnasium. Und auch heute noch sei antisemitisches Denken ein Problem.Was heute in Chatgruppen und digitalen sozialen Netzwerken passiert, geschah früher mit Postkarten. Nach der offiziellen Zulassung der Postkarte 1885 entwickelte sie sich schnell zu einem Massenmedium. Jeder teilte sich über die Postkarte mit, sie ermöglichte eine schnelle Kommunikation, eignete sich als Sammelobjekt und als Träger politischer Botschaften. Laut Bundeszentrale für politische Bildung verschickten die Deutschen täglich mehr als drei Millionen Grüße oder klebten Motivkarten in Sammelalben.

Postkarte als Vorläufer von WhatsApp und Co.

Inwieweit dabei auch antijüdisches Denken eine Rolle spielt, erklärte am Freitagvormittag Antisemitismusforscherin Wiebke Hölzel zum Auftakt der neuen Wanderausstellung „Abgestempelt – Judenfeindliche Postkarten“ in der Außenstelle des Willms-Gymnasiums an der Königsberger Straße. Juden mit riesiger Hakennase, mit unförmigen Körpern oder als Tiere dargestellt: Die 80 Postkarten zeigen eindrucksvoll und zugleich auf erschreckende Weise, wie perfide Antisemitismus schon vor der Zeit des Nationalsozialismus´ im Alltag gewirkt hat und wie Juden ohne besondere Irritationen innerhalb der Gesellschaft stigmatisiert und abgewertet wurden. Und auch, wenn der Großteil der Postkarten aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende kommt – verdeutlichen sie doch nachhaltig, wie subtil sich propagandistisches Gedankengut in den Köpfen etabliert und wie reell diese Gefahr heute noch ist.

Antisemitismus schon lange in der Gesellschaft manifestiert

„Die Ausstellung zeigt auch, dass Antisemitismus nicht erst mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten entstanden ist, sondern schon weit davor“, erklärte Wissenschaftlerin Wiebke Hölzel. Schon weit davor sei antisemitisches Denken in der Gesellschaft manifestiert gewesen. Das zeige sich auch im unkritischen Umgang mit den Abwertungen bestimmter Personengruppen als Postkartenmotiv. „Ein Großteil der Absender hatte gar keinen Bezug zu dem, was auf dem Postkartenbild abgebildet wurde“, so Hölzel. Stattdessen wurde es unkritisch hingenommen und hatte seinen legitimierten Platz im Alltagsrassismus der Gesellschaft.

Mehr als 1000 Postkarten zum Thema gesammelt

Dass die Ausstellung „Abgestempelt – Judenfeindliche Postkarten“ überhaupt möglich wurde, ist dem 2017 verstorbenen Berliner Wolfgang Haney zu verdanken, der – 1924 geboren – als Sohn einer Jüdin und eines Katholiken die Schrecken des Dritten Reichs selbst miterlebt hatte. Insgesamt 1000 Postkarten mit antisemitischer Propaganda, vereinzelt auch mit Motiven der Gegenwehr, hatte Haney als leidenschaftlicher Sammler zusammengetragen, um sie als gedrucktes Mahnmal des Schreckens für nachfolgende Generation zu erhalten.

12.000 Objekte dokumentiere das Leid unter der Nazi-Herrschaft

Auch unzählige andere Zeugnisse wie Blechtassen und Kleidungstücke aus Konzentrationslagern hat Haney in seine Sammlung aufgenommen und so ein wertvolles historisches Werk mit insgesamt 12.000 Objekten geschaffen. Mit „Abgestempelt – Judenfeindliche Postkarten“ wird eine Auswahl von 80 Bildpostkarten gezeigt, die sich in vier Teile gliedert: Antisemitismus im Bild, Juden in der Gesellschaft und ihre Stereotype, antisemitische Haltungen und Wunschvorstellungen und staatlich geduldeter und propagierter Antisemitismus.

„Mit der Ausstellung wollen wir aber auch die Parallelen zur Gegenwart deutlich machen und herausstellen, dass Antisemitismus und Rassismus im Alltag auch heute noch eine Gefahr sind“, schilderte Geschichtslehrer und Leiter der Außenstelle Jan-Niklas Lühring. Was damals nur die Postkarten waren, seien heute Medien wie WhatsApp, Facebook, Telegram und Twitter. Die Botschaften, Symbole und Mechanismen jedoch seien die selben.

Thema im Unterricht bearbeitet

Im Vorfeld der Ausstellung wurde das Thema mit den Zehntklässlern im Unterricht fächerübergreifend sowohl in Politik als auch in Geschichte thematisiert, zum Abschluss soll ein Besuch der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen folgen. Um in die unterschiedlichen Kategorien der Ausstellung tiefer einzusteigen, hatte die Bundeszentrale für politische Bildung, die die Ausstellung verleiht, der Schule darüber hinaus Arbeitsblätter zur Verfügung gestellt, die die Zehntklässler des Willms-Gymnasiums am Freitag in Verbindung mit einem Ausstellungsbesuch durcharbeiten mussten.

Ausstellung öffentlich für alle

Zu sehen sein wird die Ausstellung im Willms-Gymnasiums an der Königsberger Straße 65 noch bis zum 7. Dezember. Sie ist für alle Interessierte öffentlich. Um vorherige telefonisch Anmeldung wird aufgrund der Corona-Vorgaben gebeten