Eine alte Schwarz-Weiß-Fotografie wirft ein beklemmendes Schlaglicht auf das düsterste Kapitel der Stadtgeschichte: Mitten in dunkler Nacht ist die Synagoge an der Cramerstraße, von der Straße aus aufgenommen, von innen hell erleuchtet – die Flammen der Pogromnacht des 9. November 1938 verrichten ihr Zerstörungswerk. Das Foto ist undatiert, doch Stadtarchivar Christoph Brunken und Klaas Wiggers, Geschichtslehrer am Willms-Gymnasium, sind sich sicher, eine Originalfotografie des brennenden jüdischen Gemeindezentrums in Händen zu halten. Dieses war wie mehr als 1400 andere Synagogen und Betstuben am 9. und 10. November 1938 von den Nationalsozialisten in Brand gesteckt worden.
Am Willms-Gymnasium wird die eigene Schulgeschichte in enger Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv erforscht und digital aufbereitet. Lehrkräfte und Schüler leisten dabei auch „Detektivarbeit“, so Wiggers, die – etwa in Gestalt des 2018 entdeckten Fotos von Namensgeber und Bürgermeister Otto Willms – nicht nur die Schul-, sondern auch die Lokalgeschichte bereichert. So ist man in diesem Jahr bei der intensiven Onlinesuche auf das Foto des Synagogenbrands gestoßen. Es befand sich in einem Buch über die Arbeiten Bernhard Himmelskamps, des Architekten der 1928 an der Cramerstraße erbauten Delmenhorster Synagoge. Das bedeutungsvolle Bilddokument wurde schließlich vor drei Monaten für 50 Euro erworben und am Donnerstag im Gymnasium von Klaas Wiggers und Schulleiter Stefan Nolting an Stadtarchivar Brunken übergeben.
Brunken zeigte sich „sehr dankbar für diese Erwerbung, zeigt es doch das Engagement auch außerhalb des Archivs, die dunklen Schatten der Vergangenheit für die Zukunft präsent zu halten“. Immer wieder habe es im Stadtarchiv Anfragen bezüglich eines Bildes der brennenden Synagoge, das existieren solle, gegeben. Diese Lücke konnte jetzt geschlossen werden. „Der Fotograf hat enormen Mut bewiesen, diesen Moment festzuhalten“, erklärte Brunken. Dieses Verbrechen zu dokumentieren, sei sehr gefährlich gewesen.
Der Standort der ehemaligen Delmenhorster Synagoge an der Cramerstraße 20A stand am Donnerstagnachmittag auf dem Programm eines Besuchs des Bungerhofer Gesprächskreises der evangelischen Kirchengemeinde Hasbergen. Den 16 Teilnehmer um den Kirchenältesten Jan-Bernhard Aikens gewährte Pedro Benjamin Becerra, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Delmenhorst, auf dem Friedhof an der Syker Straße Einblicke in die jüdische Bestattungs- und Trauerkultur. Vor dem abschließenden Besuch der Synagoge an der Louisenstraße besichtigte die Gruppe die Stelle an der Cramerstraße 20A, an dem sich von 1928 bis 1938 der zentrale Versammlungsort der Delmenhorster Juden befand. Der Freundes- und Förderkreis der Jüdischen Gemeinde Delmenhorst hat dort 2014 eine Gedenktafel aufgestellt.
Die Erinnerung an den „Zustand der absoluten Barbarei“, so Christoph Brunken, der sich 1938 an dem Ort manifestierte, wird jetzt mit der künftig als Bilddatei auf der Homepage des Willms-Gymnasiums herunterladbaren Fotografie der brennenden Synagoge zusätzlich untermauert.