„Es ist eine Opferausstellung“, erklärte Birgit Mair vom Institut für sozialwissenschaftliche Forschung Bildung und Beratung aus Nürnberg bei der Eröffnung am Freitag im Lichthof der VHS. Sie hatte die Ausstellung vor drei Jahren erstellt. „Beate Zschäpe werden sie hier nirgends finden.“
Vielmehr werden die Persönlichkeiten, Schicksale und Familien der Opfer porträtiert. Menschen, die systematisch aufgrund ihrer Herkunft ermordet wurden. Kinder, die ihre Väter verloren. Ehefrauen, die nach den Morden selbst in Verdacht gerieten.
Ein Thema mit „großer Emotionalität“, wie Oberbürgermeister Axel Jahnz betonte. „Ich bin voll tiefer Abscheu, über das, was den Menschen angetan worden ist.“ VHS-Geschäftsführer Martin Westphal wies auf die Bedeutung der Ereignisse für aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen hin. Nazis seien nicht nur etwas aus der Geschichte, Neonazis nicht nur ein paar einzelne Frustrierte. Es gebe rechtextremes Potenzial in der Gesellschaft. „Dieses Potenzial verschafft sich heute lautstark auf der Straße Gehör“, sagte Westphal.
Erinnerungen an Opfer des Terrors
Brigit Mair hat sich für die Dokumentation der Verbrechen mit vielen Angehörigen getroffen. Sie haben ihr die Geschichten der Menschen erzählt, die sich hinter den Namen der Opfer verbergen. „Als er jung war, schrieb er Liebesgedichte“, erzählte ihr die Frau von Enver Simsek, der am 9. September 2000 in Nürnberg erschossen wurde.
„Er war der netteste Menschen, den ich je gekannt habe“, erinnert sich ein Freund von Mehmet Turgut, der 2004 in Rostock starb. Die Mutter von Polizistin Michèle Kiesewetter, dem letzten NSU-Opfer, berichtete Mair: „Mit der Einstellung bei der Polizei hat sich für sie ein Traum erfüllt.“ Zahlreiche Fotos haben die Angehörigen Birgit Mair für ihre Ausstellung zur Verfügung gestellt. Auch die einzelnen Tatorte besuchte sie.
Bei der Eröffnung am Freitag erhob Mair schwere Vorwürfe gegen die Ermittler und zeigte zahlreiche mögliche Fehler auf, die bei den Untersuchungen gemacht worden sind. Hinweise auf rechtsextreme Kriminalität seien ausgeblendet worden. Stattdessen hätten Ermittler Familien teilweise verdächtigt und kriminalisiert. „Diese Stigmatisierung war für die Angehörigen am schlimmsten“, sagt sie. „Wir werden uns damit abfinden müssen, dass viele Fragen nicht beantwortet werden.“
Schüler und Senioren geben Führungen
Vieles über das, was bekannt ist, wird in der Ausstellung dokumentiert – auch vieles, was bereits in Vergessenheit geraten ist. „Mir ist manchmal ganz mulmig, wie viele Fakten zum Terror des NSU mir nicht bekannt gewesen sind“, erklärte Martin Westphal. Die Ausstellung ist noch bis zum 18. November im Lichthof der VHS am Turbinenhaus zu sehen. Birgit Mair hat einige Schüler des Willmsgymnasiums gebrieft, dass sie andere Schülergruppen durch die Ausstellung führen können. Auch Senioren übernehmen Führungen für ältere Gruppen.
Oberbürgermeister Jahnz wünscht sich, dass viele Menschen aus Delmenhorst sich die Ausstellung ansehen. „Wir müssen etwas tun, damit sich Dinge nicht wiederholen“, bekräftigte er und wurde danach deutlich: „Ich wünsche mir auch, dass sich der neue Rat mit diesem Thema auseinandersetzt, ich glaube, jedes Ratsmitglied wird es sehr schnell verstehen.“
Demokratiekonferenz will Ängste nehmen
Im Vorfeld der Eröffnung haben das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und Mitglieder des Begleitausschusses aus Zivilbürgern, Verwaltung und Vertretern unterschiedlicher Organisationen eine Demokratiekonferenz geführt. In einem Planspiel haben die Teilnehmen die Rolle einer Gesellschaft eingenommen, in der die Politik immer rechtsextremer und rassistischer wird und sich liberale Menschen nicht mehr dagegen wehren können.
Als Ergebnis dieser Konferenz hat sich der Aussschuss das Ziel gesetzt, „mit kleinen Veranstaltungen in Delmenhorst Ängste zu nehmen“, erklärte Sebastian Rann von „Demokratie leben!“ im Diakonischen Werk.