Es gibt ja Menschen, die wirklich noch glauben, dass es den Klimawandel nicht gibt. Klimaforscher Hans-Otto Pörtner setzte den Skeptikern in der Vortragsreihe „Begegnungen“ gnadenlose Fakten vor.
Es gibt sie, die Skeptiker, die nicht an den Klimawandel glauben. Die ihn klein reden, am liebsten auf später verschieben wollen. Die lieber an ihrem wirtschaftlichen Wohlstand und Lebensstandard festhalten wollen. Die sich am Jetzt festhalten wollen. Aber: „Jetzt geht’s um die Wurst“, sagte am Montag Hans-Otto Pörtner. „Und wir spüren es bereits am eigenen Leib“, fügte der Ökologe und Klimaforscher hinzu.
Pörtner war zu Gast in der Reihe „Begegnungen“ am Gymnasium an der Willmsstraße. Vor etwa 300 Zuhörern aus der Schüler- und Lehrerschaft sowie der Öffentlichkeit zeichnete er ein eindrucksvolles Bild vom Ist-Zustand unseres Planeten und den zu erwartenden Folgen, die der Wissenschaft zufolge eintreten werden, wenn nicht rechtzeitig gehandelt wird. Die Dringlichkeit des Handels – seitens der Politik, aber auch der Gesellschaft – stellte er ganz besonders heraus.
In Australien wüten zurzeit kontinentale Brände. Was vielen sehr weit weg erscheint, ist laut Pörtner nur der Anfang: „Australien ist nur der erste Kontinent, der brennt“, sagte er und ergänzte: „Wir alle haben den heißen Sommer 2018 in Erinnerung. Da haben wir den Klimawandel bereits erlebt – und die Folgen. Rund 5000 Menschen sind in dem Jahr aufgrund der Hitze gestorben.“
Wer denkt, dass der Klimawandel in der Zukunft liegt, der irrt, sagte Pörtner. In den vergangenen 150 Jahren hat sich das Klima um ein Grad erwärmt. Und dabei handelt es sich nicht um eine natürliche Entwicklung, sondern um eine menschengemachte, durch Emissionen entstandene Erwärmung, wie Pörtner betonte. Und noch etwas steht fest: „Zwischen den Jahren 2030 und 2050 werden wir eine weitere Erwärmung von 1,5 Grad erreichen. Aber nur, wenn jetzt gehandelt wird. Lassen wir den Klimawandel ungebremst weiterlaufen, erreichen wir eine Erwärmung um vier Grad.“ Wann es soweit sein wird, ist unklar. Niemand weiß, wann der sogenannte Kipp-Punkt greift – der Zeitpunkt, an dem sich der Klimawandel drastisch beschleunigt.
Die Auslöser sind laut Pörtner viele einzelne Faktoren, die zusammenwirken. Seiner Meinung nach sei es dringend notwendig, dass die Politik entsprechende Rahmenbedingungen schafft, damit die schlimmsten Faktoren wegfallen: die Verminderung der Emissionen von CO2 und Treibhausgasen auf letztlich null Prozent, die nachhaltige Nutzung von Land und Wasser und nicht zuletzt eine nachhaltige Landwirtschaft. Aber neben der Renaturierung von Ökosystemen wie den Regenwäldern ist auch eine Umleitung der Finanzflüsse notwendig, damit nicht länger das Geschäft mit fossilen Brennstoffen, sondern die regenerativen Energien subventioniert werden. Die nötigen Technologien für die Nutzung dieser Energien ist vorhanden, sagte Pörtner. So könnte man Wellenkraft und Meeresströmungen nutzen. Auch Fliegen und Autofahren müsste kein Problem sein, wenn man synthetisches Kerosin beziehungsweise synthetischen Diesel nutzen würde. Zudem könne die Politik mit Zollmaßnahmen erreichen, dass Produkte mit einem schlechten ökologischen Fußabdruck nicht unseren Markt fluten.
Würde die Politik zu lange zögern, sei dies ein Fall für den Internationalen Gerichtshof, meinte Pörtner: „Der Klimawandel verletzt Menschenrechte.“ Denn durch ihn nehmen Wasserarmut, Bodenerosionen, der Verlust von Vegetation und Permafrost, der Anstieg des Meeresspiegel und Flächenbrände zu. Die Nahrungssicherheit und die eigene Gesundheit stehen immer mehr infrage. Und all das hat bereits begonnen: Gletscher und Eisschilde schmelzen, die Ozeane versauern und erwärmen sich, der Meeresspiegel ist schon um 15 Zentimeter gestiegen, Arten werden vertrieben und sterben aus, ganze Ökosysteme – wie die Warmwasserkorallen – verschwinden. „Nur, wenn wir es schaffen, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, können wir andere Systeme retten. Nur dann bleibt der Meeresspiegelanstieg unter einem Meter“, sagte Pörtner.
Der Schutz der Natur und der Artenvielfalt sind keine „Hobbythemen von ein paar Nerds“, wie Pörtner sagte, sondern unsere Lebensgrundlage. „Wenn man bedenkt, dass 96 Prozent der Säugetiere auf diesem Planeten Menschen und Vieh und 70 Prozent der Vögel Brathühnchen sind, wird deutlich, wie der Mensch die Natur beeinflusst hat – aber auch beeinflussen kann“, sagte er. Engagiertes Handeln sei jetzt nötig. Pörtner: „Deshalb waren die ‚Fridays for Future‘-Bewegung und die öffentliche Debatte im vergangenen Jahr so wichtig. Seit 30 Jahren berichtet die Wissenschaft der Politik von den Fakten. Erst die Jugend, die nicht wählen darf, hat gezeigt, dass sie eine politische Stimme hat und gehört wird.“
Aber nicht nur die Politik steht in der Pflicht zu handeln. Die Verantwortung liegt auch bei den Produzenten und Verbrauchern. Bei jedem Bürger: „Jede Wahl zählt. Jedes Jahr, das wir zögern, zählt. Wenn wir einfach wie bisher weiter machen, verlieren wir unseren jetzigen Lebensstandard auf jeden Fall. Wenn wir etwas davon opfern, können wir etwas bewegen“, entgegnete er allen Skeptikern.