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Holocaustüberlebender Ivar Buterfas-Frankenthal: „Wir dürfen niemals aufhören, uns zu erinnern“

21.09.22 | NOZ / Delmenhorster Kreisblatt

Vorherige Pressebeiträge

Der NS-Zeitzeuge Ivar Buterfas-Frankenthal wurde durch den Nationalsozialismus seiner Kindheit beraubt. Als „Halbjude“ wurde er aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen und musste sich bald verstecken. Heute kämpft der 89-Jährige darum, dass die Grauen der NS-Zeit nicht in Vergessenheit geraten und sich die Geschichte nicht wiederholt.

„Du hast absolutes Verbot, die Schule wieder zu betreten und sollst unsere Luft nicht weiter verpesten, du Jude!“ Mit diesen Worten wurde der junge Ivar Buterfas 1938 nur sechs Wochen nach seiner Einschulung vor circa 600 Mitschülern von seinem Lehrer aus der Schule verbannt.

Der sechsjährige Hamburger hat damals nicht verstanden, was ein Jude überhaupt ist – „vielleicht eine Krankheit“, habe er sich gedacht. An diesem Tag sei seine geschützte, kindliche Welt zerstört worden. Bereits auf dem Weg nach Hause wurde er von anderen Kindern verfolgt. Sie fügten ihm Brandwunden zu und schikanierten ihn, bis er von Passanten gerettet wurde. „An diesem Tag endete meine Kindheit, auch meine Jugend wurde mir von den Nazis genommen“, sagte der Zeitzeuge diesen Dienstag am Willms-Gymnasium in Delmenhorst, wo er vor den Zehntklässlern einen Vortrag hielt.

Mehr als 30 Morddrohungen

Ivar Buterfas-Frankenthal, wie er heute heißt, nachdem er auch den Namen seiner Frau Dagmar angenommen hat, reist mit seiner Ehefrau seit Jahren viel und spricht von seiner Kindheit als „Halbjude“ im Nationalsozialismus. Mehr als 1500 Vorträge hat er bereits gehalten und unzählige Auszeichnungen, darunter den Weltfriedenspreis, erhalten.

Die Dämonen, die ihn nachts noch heimsuchen, könne er damit nicht bekämpfen, aber dafür politisch rechte Bürger, die nichts aus der Geschichte gelernt hätten. Sein Haus sei deshalb eine „Festung“ – nach über 30 Morddrohungen angemessen, wie er findet.

Einer der letzten Zeitzeugen

Die Geschichtslehrerin Jelena Jovicic sagte: „Diese Veranstaltung ist eine besondere Möglichkeit, eine berührende Lebensgeschichte von einem Zeitzeugen zu hören. In meiner Jugend war das noch üblicher, leider wird es wegen des Alters der Zeugen immer seltener.“

Mittlerweile ist der 89-Jährige einer der letzten Zeitzeugen der NS-Zeit, der die Kraft und die Gesundheit hat, über seine schreckliche Vergangenheit zu sprechen. Am Dienstag, 20. September, tat er dies mit den Zehntklässlern des Willms-Gymnasiums und stellte sich ihren Fragen.

Deutschland schützen

Der 89-jährige Redner betonte:

„Deutschland ist heute ein schönes Land, mit seinen ganzen guten Errungenschaften. Zum Beispiel: Kindergeld statt Kinderarbeit. Wenn ihr, die Erwachsenen von morgen, bald zum ersten Mal an die Wahlurne geht, dann setzt das Kreuz an der richtigen Stelle. Ich wünsche mir eine Welt, in der es Frieden zwischen allen Völker gibt. Eine Welt ohne Ausländerhass gegen bestimmte Religionen oder Hautfarben.“

Mutter heiratete jüdischen Vater gegen Willen der Familie

Buterfas-Frankenthals Mutter war christlich und heiratete gegen den Willen ihrer Familie ihren jüdischen Stepptanz-Partner. 1933 wurde dem Paar die Arbeitserlaubnis entzogen und bald sei Buterfas-Frankenthals Vater in das Konzentrationslager (KZ) Esterwegen deportiert worden, erzählte der Zeitzeuge. Mit acht „halbjüdischen“ Kindern habe sich die Mutter von da an allein durchschlagen müssen. Ihr Drängen bei der Staatspolizei, ihren Mann freizulassen, führte zu nichts. Der Vater wurde in das KZ Sachsenhausen verlegt und bald darauf musste sie sich mit ihren Kindern vor der SS (Schutzstaffel) verstecken.

Überleben im Untergrund

Jahrelang habe er als Kind mit seiner Familie im Untergrund gelebt, berichtete Buterfas-Frankenthal – erst auf dem Land, dann in Hamburg. In den letzten Jahren des Krieges, als die Stadt zerstört war, habe er nachts mit seinem älteren Bruder Rolf in den verlassenen Nazi-Villen Konserven und andere überlebenswichtige Gegenstände gesammelt.

Durchgehalten hätten sie nur, weil sie sich gegenseitig Hoffnung machten. 1945 hatten sie es geschafft. Der Bruder verstarb jedoch bald an einem Splitter, den er seit seiner Kindheit im Kopf hatte. Die Ärzte durften damals laut Gesetz keine Juden behandeln und nach dem Krieg war es zu spät für eine Operation.