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So ist ein Praktikum am Landgericht Bremen

15.01.19 | Weser Kurier

Vorherige Pressebeiträge

Thorsten Prange betreut gleich fünf Schulpraktikanten auf einen Schlag. Natürlich sei dies mit hohem Aufwand verbunden, sagt der Vorsitzende Richter am Landgericht. nennt dies aber „sinnvoll investierte Zeit“.

„Na, dann nehmen wir uns doch mal den hier.“ Thorsten Prange wuchtet einen der großen Kartons aus dem Regal, öffnet ihn und greift sich einen der Aktenordner. „Beweismittel, Band 12, Gesamtbewertung“, steht auf dem Rücken. Es geht um steuerliche und strafrechtliche Berechnungen. Unmengen von Rechnungen und Zahlenkolonnen. Und dies ist nur einer von gut einem Dutzend Kartons, die zu einem einzigen Prozess wegen Steuerhinterziehung gehören. „Wirtschaftsstrafsachen sind ziemlich komplex“, lautet die Botschaft des Richters an seine fünf Praktikanten, die im Halbkreis um ihn herum stehen.  „Und“, ergänzt Prange mit einem Augenzwinkern, „sie sind auch nicht so spannend wie ein Mordprozess.“

Fünf Jugendliche, alle aus der Oberstufe des Willms-Gymnasiums in Delmenhorst, hat der Vorsitzende Richter am Landgericht für ein Schulpraktikum unter seine Fittiche genommen. 14 Tage lang lernen sie die vielfältige Arbeit eines Richters kennen, dürfen ihn in  Sitzungen begleiten, treffen andere Prozessbeteiligte wie Verteidiger und Staatsanwälte. Und bekommen ganz nebenbei den Unterschied zwischen allgemeinem Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht vermittelt. „Wirtschaftskriminalität wird Oberthema unseres Praktikumsberichts“, erklärt Lara Frank. Für die 17-Jährige ist es nicht einfach nur ein Schulpraktikum, sie ist dabei, ihren Kindheitstraum umzusetzen. „Ich wollte schon mit zehn Staatsanwältin werden“, erzählt die Schülerin.

Manchmal wird’s laut im Gerichtssaal

Ihre vier Mitstreiter waren vor allem neugierig. Die meisten hatten Thorsten Prange schon bei seinem Vortrag anlässlich der Berufsbildenden Tage an ihrer Schule kennengelernt. „Das klang spannend. Jetzt wollte ich mir das mal in echt anschauen“, sagt Julia Ellert. „Man hört ja öfter, dass die sich vor Gericht sogar anschreien“, ergänzt Luca Goltz. Was die fünf dann auch prompt bei einem ihrer Prozessbesuche bestätigt bekamen. In dem Verfahren um eine Geiselnahme zogen die Verteidiger alle Register, es wurde laut.

Aber es sind keineswegs nur die lauten, eher raueren Töne, die die Schüler beeindruckt haben. „Ich war erstaunt, wie der Richter sich mit den Zeugen unterhält“, berichtet Maria Schammas. Eine Zeugin sei unglaublich nervös und gestresst gewesen. „Da ist Herr Prange extra von seinem Richtertisch zu ihr runtergegangen und hat sie direkt am Zeugentisch vernommen.“ Es sei wichtig, sich im Gerichtssaal nicht nur rechtlich korrekt zu verhalten, sondern auch menschlich, erklärt Thorsten Prange den Schülern. „Sonst kann man da nicht durchkommen.“

Max Foistner hat beeindruckt, auch mal neben einem Verteidiger sitzen zu dürfen. „Das war interessant, einen Prozess aus diesem Blickwinkel zu sehen.“ Ein Perspektivwechsel, den Prange seinen Praktikanten bewusst ermöglicht. „Sie sollen alle Verfahrensbeteiligten beobachten können.“ Schließlich gehe es ja genau darum bei einem Schulpraktikum. „Die Schüler haben hier die Chance, einen kleinen Einblick in die Praxis unseres Rechtssystems zu bekommen“, betont der Vorsitzende Richter. „Und damit vielleicht ja auch Verständnis für die Bedeutung eines funktionierenden Justizsystems.“

Umso besser, wenn dabei bei dem einen oder anderen die Begeisterung für einen juristischen Beruf geweckt werde. „Aber wenn einer merkt, das ist nicht das Richtige für ihn, ist das auch in Ordnung. Das ist dann ja auch eine Form der Vororientierung.“ Wichtig sei ihm vor allem aber, das Landgericht überhaupt zu öffnen, sagt Prange. In weiten Teilen der Bevölkerung sei Justiz ja eher etwas Geheimnisvolles und Unbekanntes. „Deshalb sollen die Schüler erleben, dass hier ganz normale Menschen arbeiten, und dazu gehören auch Richter und Staatsanwälte.“ Dafür nehme er sich gerne die Zeit und auch mal fünf Praktikanten auf einen Schlag. „Das ist natürlich mit ziemlichem Aufwand verbunden, aber es ist sinnvoll investierte Zeit.“

Überblick mit Perspektivwechsel

Die Rechnung scheint aufzugehen: Bei den Jugendlichen komme das Praktikum im Landgericht extrem gut an, berichtet Daniela Köhler. Sie ist  Lehrerin für Politik und Wirtschaft am Willms-Gymnasium und betreut die Praktikanten. Gerade den umfassenden Überblick und den Perspektivwechsel wüssten die Schüler zu schätzen. „Die erzählen wirklich voller Begeisterung und mit leuchtenden Augen von diesem Praktikum.“

Auch wenn es manchmal mit so trockener Materie verbunden ist wie bei der Wirtschaftskriminalität. Zurück aus dem Aktenraum erläutert Thorsten Prange den Jugendlichen in seinem Dienstzimmer die Feinheiten von Steuerhinterziehung, falscher Buchführung oder dem Vorenthalt von Sozialversicherungsbeiträgen. Und wie man als Richter trotz der Stofffülle versuchen muss, den Tätern auf die Spur zu kommen.

In den Praktikumsbericht der Schüler dürfte aber auch ein ganz plastisches Beispiel für den Unterschied zwischen normalem Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht kommen. Er liegt direkt vor ihnen auf dem Tisch: 361 Seiten hat das Strafgesetzbuch in Taschenbuchformat. Daneben liegt ein ungleich dickerer  Wälzer, eine kleine Einführung ins Wirtschaftsstrafrecht. „Schätzt doch mal, wie viele Seiten das hat“, fordert Prange die Schüler auf. „1837“, sagt Luca Goltz. Ein mutiger Tipp, aber trotzdem weit daneben. Tatsächlich sind es 2895 Seiten. Lara Frank will immer noch Staatsanwältin werden. Ob für Wirtschaftsstrafsachen, steht noch nicht fest.